Tipp des Monats September 2023 von Ihrem Steuerberater in Hamburg
Aufwendungen für einen Umzug
Wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen führt
Eine Wohnung am Lebensmittelpunkt eines Steuerzahlers und seiner Familie ist dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Daher sind Aufwendungen für einen Umzug grundsätzlich steuerlich nicht abziehbare Kosten der allgemeinen Lebensführung. Umzugskosten können aber als Werbungskosten abzugsfähig sein, wenn der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist, private Gründe also eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen. Ein berufliche Veranlassung liegt vor, wenn
Aktuell hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass Umzugskosten auch dann beruflich veranlasst sein können, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen führt, ohne dass eine Fahrzeitersparnis eintritt oder ein Arbeitsplatzwechsel erfolgt. Eine solche Erleichterung könne für das Jahr 2020 anzunehmen sein, wenn ein Umzug erfolgt, um für jeden Ehegatten in der neuen Wohnung ein Arbeitszimmer einzurichten, damit diese im Homeoffice wieder ungestört ihrer jeweiligen Tätigkeit nachgehen können (FG Hamburg, Urteil vom 23.02.2023, 5 K 190/22, Revision VI R 3/23).
Der Fall: Vor Beginn der Corona-Pandemie übten die Kläger ihre nichtselbstständige Tätigkeit jeweils im Betrieb ihrer Arbeitgeber aus. Seit Beginn der Corona-Pandemie verlagerten die Kläger - den Anweisungen bzw. Bitten ihrer Arbeitgeber folgend - ihre Tätigkeit und übten diese nun zu Hause aus. Dies ging aber mit erheblichen Beeinträchtigungen durch ein Abwechseln mit der Tätigkeit und der Inkaufnahme von Störungen bei gleichzeitiger Tätigkeit einher.
Die Kläger haben zur Beseitigung dieser Situation eine neue Wohnung mit genau zwei zusätzlichen Arbeitszimmern gesucht und ausgewählt. Die Einrichtung von zwei Arbeitszimmern war angesichts der verschiedenen Arbeitsweisen der Eheleute erforderlich für die (ungestörte) Ausübung der jeweiligen Tätigkeit. Durch die räumlich getrennte Arbeitsmöglichkeit konnten beide weiterhin zur Zufriedenheit ihrer Arbeitgeber ihrer Tätigkeit nachgehen und mussten sich nicht einem Risiko von schlechteren Arbeitsergebnissen mit möglichen negativen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis aussetzen. Das Finanzamt lehnte die Anerkennung der Umzugskosten ab.
Das Finanzgericht hat die Umzugskosten als Werbungskosten anerkannt. Nach Auffassung der Richter hat der Umzug zu einer wesentlichen Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen geführt. Der Umzug habe erst eine ungestörte Ausübung der nichtselbstständigen Tätigkeit beider Eheleute ermöglicht. Vorher sei dies nur mit erheblichen Beeinträchtigungen durch ein Abwechseln mit der Tätigkeit und der Inkaufnahme von Störungen bei gleichzeitiger Tätigkeit einhergegangen.
Umzugskosten als Werbungskosten
1. Umzugskosten können beruflich veranlasst sein, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen führt (st. Rspr.).
2. Eine solche Erleichterung kann für das Streitjahr 2020 auch anzunehmen sein, wenn ein Umzug erfolgt, um für jeden Ehegatten in der neuen Wohnung ein Arbeitszimmer einzurichten, damit diese im Homeoffice wieder ungestört ihrer jeweiligen Tätigkeit nachgehen können (in Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 16. Oktober 1992, VI R 132/88, BStBl II 1993, 610 zum Streitjahr 1982).
Die Kläger begehrten die Anerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. Sie bewohnten im Streitjahr 2020 zunächst eine ca.65 m2 große Wohnung ohne Arbeitszimmer und zogen im Juli 2020 in eine ca. 110 m2 große Wohnung, in der sie über zwei Arbeitszimmer mit je 10,57 m2 verfügten. In der Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger u.a. Umzugskosten als Werbungskosten, deren Ansatz der Beklagte ablehnte.
Das Gericht folgte der Auffassung der Kläger und gab der Klage statt.
Die Umzugskosten seien als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Zwar sei der Beklagtenseite zuzugeben, dass eine erhebliche Verkürzung des Arbeitswegs nicht eingetreten sei, da das Homeoffice der Kläger nicht als erste Tätigkeitsstätte einzuordnen sei.
Der Senat war nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens jedoch davon überzeugt, dass der Umzug zu einer wesentlichen Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen der Kläger geführt habe, da dieser erst eine ungestörte Ausübung der nichtselbständigen Tätigkeit beider Eheleute ermöglicht habe.
Vor Beginn der Corona-Pandemie hätten die Kläger ihre nichtselbständige Tätigkeit jeweils in den Räumlichkeiten ihrer Arbeitgeber ausgeübt. Seit Beginn der Corona-Pandemie hätten die Kläger ihre Tätigkeit verlagert und diese nun zu Hause ausgeübt. Die Kläger hätten eine neue Wohnung mit genau zwei zusätzlichen Arbeitszimmern gesucht und ausgewählt. Die Einrichtung von zwei Arbeitszimmern sei angesichts der verschiedenen Arbeitsweisen der Kläger erforderlich für die (ungestörte) Ausübung der jeweiligen Tätigkeit.
Die Wohnung weiche im Übrigen nicht derart von der bisherigen Wohnung ab, dass hier Anlass zur Annahme bestünde, eine Erhöhung des Wohnkomforts sei Anlass für den Umzug gewesen. Im Übrigen ginge mit einer möglichen Erhöhung des Wohnkomforts durch Platzgewinn zugleich eine Verschlechterung des Wohnkomforts einher, denn statt einer Terrasse mit Zugang zum Gemeinschaftsgarten verfügten die Kläger nunmehr lediglich über einen Balkonmit einer für die im Streitjahr fünf Jahre alte Tochter schlechteren Nutzbarkeit. Auch der zeitliche Ablauf spreche für eine berufliche Veranlassung.
Soweit der BFH mit Urteil vom 16. Oktober 1992 (VI R 132/88, BStBl II 1993, 610; hieran festhaltend: Beschluss vom 15. Oktober 1993, I B 62/93, juris) entschieden habe, dass eine berufliche Veranlassung nicht anzunehmen sei, wenn sich durch den Wohnungswechsel die Fahrzeiten zwischen Wohnung und Beschäftigungsstätte(n) um weniger als eine Stunde pro Arbeitstag verkürze und die neue Wohnung Platz für die Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers biete, sei dies nicht auf den hiesigen Fall zu übertragen.
Anders als in dem im Jahr 1992 entschiedenen Fall (Streitjahr 1982) lägen im Streitjahr 2020 insgesamt andere Umstände vor, so dass ein vom BFH damals angenommenes "natürliches Bestreben nach Verbesserung der Wohnqualität" der beruflichen Veranlassung nicht entgegenstehe.
Aufgrund der Gesamtumstände lasse sich mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln, dass die Einrichtung der Arbeitszimmer Anlass des Umzugs gewesen sei. Während den BFH-Entscheidungen noch die Annahme eines grundsätzlich arbeitstäglichen Aufsuchens der Arbeitsstätte zugrunde liege, habe sich die Arbeit im Homeoffice (auch unabhängig von dem Vorliegen der strengen Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitszimmers) - ganz wesentlich durch die Corona-Pandemie - in den letzten Jahren (und auch schon im Streitjahr) stark ausgeweitet.
Es bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung bei der anstehenden Revision ausfällt.
Ihr Steuerberater Sven Sievers
Urteil mit Begründung - Download hier
Quelle: BMF Bundesministerium der Finanzen - Urteil vom 23.2.2023 (5 K 190/22) - Revision eingelegt - Az. des BFH VI R 3/23
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